630 Millionen Euro für eine zukunftsfeste Abwasserbeseitigung in Dresden

Die Mikrochipindustrie erhält einen besonderen Kanalanschluss, und das Klärwerk wird ausgebaut.

Hoch empor ragen die Faultürme und der Gasspeicher, vor denen Kirsten Bollrich und Ralf Strothteicher in der Schlammbehandlung stehen. Die Teamleiterin für Investitionen im Kaditzer Klärwerk erklärt dem Technischen Geschäftsführer der Stadtentwässerung, wie die Arbeiten hier vorangehen. Das Klärwerk wird in den nächsten Jahren zur Großbaustelle. Der Auftakt ist der Bau eines zweiten Gasspeichers, vor dessen fertiggestelltem Fundament sie stehen.

Denn Dresdens Abwassersystem muss ausgebaut werden, um es für die nächsten Jahrzehnte zukunftssicher zu gestalten. Bereits Ende 2023 hatte der Stadtrat das fortgeschriebene Abwasserkonzept bis 2038 beschlossen. Jetzt handelt die Stadtentwässerung.

Die Investitionsstrategie: Rund 50 Millionen Euro eingeplant

Wurden bisher jährlich 25 bis 30 Millionen Euro investiert, so werden es jetzt deutlich mehr. Im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen rund 46 Millionen Euro investiert und für dieses Jahr sind etwa 50 Millionen Euro geplant – ein Zuwachs um die knappe Hälfte zum langjährigen Durchschnitt. Einerseits soll die Dresdner Bevölkerung bis 2040 von 570.000 auf 600.000 Einwohner steigen. „Andererseits wird sich die Menge des Industrieabwassers von derzeit rund zehn Millionen Kubikmetern im Jahr mehr als verdoppeln“, erklärt Strothteicher. Denn die Halbleiter-Industrie wächst schnell.

„Außerdem ergeben sich aus der neuen kommunalen Abwasserrichtlinie der EU verschärfte Anforderungen an die Abwasserbehandlung“, sagt er. So werden die Grenzwerte für Phosphor und Stickstoff weiter sinken. „Perspektivisch ist der Bau einer vierten Reinigungsstufe zur Behandlung von Mikroschadstoffen nötig“, verweist er auf eine weitere Konsequenz. Damit könnten Medikamente, Haushalts- und Industriechemikalien aus dem Abwasser entfernt werden.

Sowohl die Kläranlage als auch das Kanalnetz sollen so ausgebaut werden, dass das System nicht überlastet wird und das Abwasser sowie der zusätzliche Klärschlamm ordentlich behandelt werden können. Für den Ausbau der Kläranlage, des Kanalnetzes, die Sanierungen und Instandsetzungen muss die Stadtentwässerung bis 2038 insgesamt rund 630 Millionen Euro investieren.

Der Klärwerksausbau: Auftakt mit Gasspeicher

Ende dieses Monats wird damit begonnen, auf dem neuen Fundament die Segmente des 16 Meter hohen Gasspeichers zu montieren. Nötig ist der rund 3,3 Millionen Euro teure Bau, da die Faultürme immer besser arbeiten und mehr Biogas erzeugen.

„Schon jetzt werden stündlich rund 1.000 Kubikmeter erzeugt“, sagt der Geschäftsführer. Im vierten Quartal dieses Jahres ist die Inbetriebnahme mit einem vierwöchigen Probebetrieb geplant. Mit dem zweiten, 5.000 Kubikmeter fassenden Gasspeicher verdoppelt sich das Fassungsvermögen, sodass ein deutlich größerer Puffer vorhanden ist. Mit dem zusätzlichen Speicher soll auch gesichert werden, dass nur im Ausnahmefall Klärgas über die Notfackel verbrannt werden muss. So, wenn ein Blockheizkraftwerk ausfällt oder bei Wartungsarbeiten.

Mit den drei benachbarten Blockheizkraftwerken werden jährlich über 17 Millionen Kilowattstunden grüner Strom erzeugt. Damit die Blockheizkraftwerke auf dem neuesten Stand sind, werden in den kommenden beiden Jahren rund 3,2 Millionen Euro für die Erneuerung eines alten und den Neubau einer vierten Anlage eingeplant. Insgesamt erzeugt die Stadtentwässerung damit und aus den Photovoltaikanlagen sowie der Abwasserturbine am Auslauf der Kläranlage 85 Prozent ihres benötigten Stroms. Dieses Jahr soll der Anteil auf 90 Prozent steigen, kündigt Strothteicher an.

Bis Ende dieses Jahres werden rund 3,2 Millionen für neue Lüftungsanlagen in den Gebäuden am Einlaufbereich der Kläranlage investiert, so am Einlaufbauwerk, Grob- und Feinrechen sowie dem Hauptpumpwerk. Ab März bekommt auch der Bereich der Schlammbehandlung neue Steuerungs- und Lüftungsanlagen. Bis Ende 2027 werden dafür rund 4,6 Millionen Euro investiert.

Der Industriekanal: Aufwendiger Bau im Zeitplan

Im Dresdner Norden wird rasant gebaut. Dort errichtet Infineon ein weiteres und der taiwanesische Konzern ESMC sein neues Chipwerk. Deshalb muss auch die Stadtentwässerung den dritten großen Dresdner Hauptkanal dorthin rasant bauen – den Industriesammler Nord.

Mit den neuen Chipwerken wäre das vorhandene Kanalnetz überlastet. Deshalb baut die Stadtentwässerung für rund 71 Millionen Euro bis August 2026 den rund zehn Kilometer langen Hauptkanal vor allem für die Abwässer der Mikroelektronik-Betriebe. „Wir bauen in fast allen Abschnitten parallel und liegen sowohl im Finanzbudget als auch im Zeitplan“, erklärt Strothteicher.

Die Großprojekte: Kanäle an Hamburger und Wehlener Straße

Gebaut wird außerdem an vielen Kanälen. Als Beispiele führt der Geschäftsführer zwei Großprojekte an, die mit der Stadt und anderen Versorgungsunternehmen als Komplexvorhaben umgesetzt werden. Im Zuge der Erneuerung der Bahnbrücke an der Hamburger Straße am Haltepunkt Cotta soll der Gebietshauptkanal umverlegt werden. Dafür ist seit März 2024 ein Abwassertunnel durch den benachbarten Bahndamm gebohrt worden.

Die B 6 soll in einem 900 Meter langen Abschnitt zwischen der Weißeritzbrücke auf der Hamburger und der Einmündung der Alten Meißner in die Meißner Landstraße komplett ausgebaut werden. Damit wird ein Nadelöhr am Autobahnzubringer im Dresdner Westen beseitigt. „Bis Ende dieses Jahres werden wir dort noch ein Regenüberlaufbauwerk und ein Pumpwerk fertigstellen“, sagt Strothteicher.

Gemeinsam mit den Dresdner Verkehrsbetrieben, der Stadt und weiteren Partnern wird der Ausbau der Wehlener Straße bis Alttolkewitz fortgesetzt, wodurch es erhebliche Verkehrseinschränkungen gibt. Auf einer Strecke von einem Kilometer wird ein größerer Kanal mit dem stattlichen Durchmesser von 1,5 Metern verlegt. Auf weiteren 600 Metern dichtet die Stadtentwässerung die vorhandene Abwasserröhre mit einem glasfaserverstärkten Kunststoffschlauch neu ab. „Unser Kanalbau wird bis April 2026 dauern“, erklärt der Geschäftsführer. Dafür investiert die Stadtentwässerung rund 5,8 Millionen Euro.