Dresdner Kanalisationsgeschichte


Teil 12: Die ersten Kanalbauten unter Hermann Klette

Obwohl im Dresdner Rathaus noch um einen Beschluss zum Um- und Ausbau der Kanalisation gerungen wurde, schritt ihr Ausbau auch in den 1890er Jahren kräftig voran. Manks „Schleußensystematisirungsproject“ war in großen Teilen noch nicht umgesetzt gewesen und lief zunächst weiter. So wurde z. B. der zweite Südvorstadtkanal 1888 nach alten Planungen aus Sandsteinmauerwerk fertiggestellt. Im Bereich des Postplatzes entstand eine Kreuzung mit der alten Südvorstadtschleuse (Abbildung 1).

Bestandsaufnahme und Umbau

Im Jahr 1906 beschreibt Hermann Klette in der deutschen Bauzeitung zurückliegende 16 Jahre Bestandsaufnahme, in welchen das alte Kanalnetz zunächst kartiert werden musste. Sein Amtsvorgänger hatte keine Planunterlagen hinterlassen. Zeitgleich mussten aber auch unter Berücksichtigung der neu aufgestellten hydraulischen und bautechnischen Paradigmen bis 1908 noch weitere 73 km Schleusen umgebaut bzw. neu errichtet werden. Insbesondere die Innere Neustadt wurde kanalisiert, meist schon unter Verwendung von Eiprofil-Betonrohren, darunter 1893 die Königsstraße und 1895 die Carolastraße samt des zugehörigen Auslasskanals (siehe Abbildung 2).

Einige der alten Schleusen konnten in Klettes neues System gut eingefügt werden, so z. B. die Gangschleuse Grüne Gasse/Straße. Bei den parallel zur Elbe gebauten Schleusen der Blumenstraße und Gerokstraße sah Klette keine Möglichkeit einer sinnvollen Integration und so begegnen uns diese aus solidem Sandsteinmauerwerk errichteten Kanalabschnitte heute als fragmentarische Zeitzeugen des damaligen Umbruchs (siehe Abbildung 3). In einigen Fällen waren an hydraulisch wenig ergiebige Altschleusen neuere, leistungsfähigere angeschlossen worden, was bei Gewitterregen zu Rückstau führte. Insgesamt mussten 10,5 km der alten Kanalisation beseitigt bzw. ersetzt werden, darunter z. B. die viel zu flach liegenden Sammler auf der Johannis- oder der Schlossstraße.

Aber auch andere Infrastrukturprojekte erzwangen Änderungen am Abwassersystem. So musste dem zur Jahreswende 1894/95 fertiggestellten Alberthafen ein Teil der erst reichlich 20 Jahre zuvor erbauten Friedrichstädter Hauptschleuse wieder weichen. Zur Umgehung des Hafenbeckens war 1892, also noch lange vor dem Bau des Abfangkanals in diesem Bereich, ein Betonkanal (Haubenprofil 160/160) als Umgehungsstrecke errichtet worden. Auf der elbnahen Hafenseite befindet sich heute noch ein Schacht, der als interessantes Detail an den einstigen Verlauf der Friedrichstädter Hauptschleuse erinnert.

Neue Flutkanäle

Allein im Verlauf des Jahres 1893 wurde auf Altstädter Seite ein gewaltiger Abschnitt des Strehlener Flutkanals (die Eingemeindung Strehlens erfolgte 1892) zwischen Carolabrücke und Tiergartenstraße als Ortbetonhaubenprofil in verschiedenen Profilgrößen (bis 242/280) errichtet - der erste, neu konzipierte Gebietshauptkanal Klettes. Es folgte dann 1896 der Gebietshauptkanal auf der heutigen Bundschuhstraße bis zur Gerokstraße, der, ergänzt um diverse Nebensammler, 1897 in Richtung Holbeinstraße verlängert wurde. Auch das auf dem heutigen Käthe-Kollwitz-Ufer befindliche Wehrbauwerk sowie der Auslasskanal Bundschuhstraße wurden in dieser Zeit errichtet.

Der Bau des Altstädter Abfangkanals beginnt

Auch die Planungen für den Altstädter Abfangkanal reiften weiter. Ein erster Bauabschnitt wurde 1899/1900 zwischen Weißeritzstraße und Lothringer Straße fertiggestellt. Im Bereich des später errichteten städtischen Speichers bestand die bautechnische Herausforderung, den Weißeritzmühlgraben zu kreuzen (siehe Abbildung 4). Dieser überquerte den Abfangkanal unterhalb des Seiteneinstiegsbauwerks 01F89, erhielt einen Ablass-Anschluss DN 1000 und war noch bis 1937 in Betrieb. Im Zuge der Renovation des Abfangkanals im Jahre 2010 wurden alle Verbindungen beider unterirdischer Röhren beseitigt.

An der Weißeritzstraße erfolgte der Anschluss des Abfangkanals zunächst nur an den 10 Jahre zuvor gebauten Löbtauer Flutkanal. Abbildung 5 zeigt den Zustand im Jahr 1904: Es fällt bereits eine große Menge Abwassers an, die direkt in die Elbe eingeleitet wird. Die damals noch zahlreichen Dresdner Elbebäder befanden sich glücklicherweise stromaufwärts…

Die Schwemmkanalisation wird behördlich genehmigt

Die entscheidenden Planvorgaben für die geplante Schwemmkanalisation samt Abwasserreinigungsanlage wurden 1904 durch die Königliche Amtshauptmannschaft geregelt. Grundlage war die 1903 von der Stadt Dresden vorgelegte „Planung E“. Folgenden Bedingungen galt es einzuhalten:

  1. Not- und Regenauslässe dürfen erst ab einer Verdünnung mit der 4 – 5-fachen Menge Meteorwasser in Wirksamkeit treten und mit Gittern zum Rückhalt grober Stoffe auszurüsten
  2. gröbere Schwimm- und Sinkstoffe bis 3 mm sind durch Sedimentieren oder auf andere Weise aus dem Wasser zu entfernen
  3. Bei der Querung der Elbe unterhalb des König-Albert-Hafens und für den Kläranlagenauslass gegenüber der Mündung des Zschonergrundbaches ist insbesondere Folgendes zu beachten:
  • Die Dükerrohre sind so tief unter das Strombett einzulegen, dass auch bei Ausgestaltung der Stromsohle die Rohroberkante an der tiefsten Stelle des Strombetts noch 1,0 m tiefer liegt als letzteres.
  • Veränderungen des Ufergeländes dürfen nicht vorgenommen werden.
  • Der Schiffsverkehr darf nicht gestört werden und der Leinpfadverkehr ist aufrecht zu erhalten

Schließlich wurde 1906/07 zur Erprobung der geplanten Reinigungstechnologie auf dem Gelände des heutigen Kanalstützpunktes Weißeritzstraße eine Versuchskläranlage betrieben. Sie wird Gegenstand einer der nächsten Folgen der „Dresdner Kanalisationsgeschichte“ sein.

Autor: Frank Männig, Stadtentwässerung Dresden GmbH, wird fortgesetzt.