Teil 24: Kanalbetrieb in der Nachkriegszeit
Die Bombardements der Alliierten zwi- schen August 1944 und April 1945 hatten gewaltige Verluste an Menschenleben und Sachgütern zu Folge. Das Stadtzentrum und angrenzende Stadtteile lagen in Trüm- mern. Die Angriffe vernichteten 60.000 bis
75.000 Wohnungen und viele einzigartige Baudenkmäler. 23 Prozent der Dresdner In- dustriebetriebe waren zerstört, außerdem auch Gas-, Wasser- und Kraftwerke und
die dazugehörigen Leitungen. 1.100 Bom- bentrichter wurden insgesamt gezählt, das Wasserrohrnetz war an 688 Stellen unter- brochen. Vor allem nach dem 13. Februar 1945 waren viele Straßen zunächst voll- ständig durch Trümmer oder Bombenkrater blockiert. Auch am Kanalnetz gab es Schä- den, die aber wohl von vergleichsweise untergeordneter Bedeutung waren und im Zuge der Straßenwiederherstellung schnell repariert wurden. Im Zuge der TV-Untersu- chungen und Kanalbegehungen werden solche Reparaturstellen gelegentlich auch noch heute entdeckt.
Nachkriegsmangel und politischer Paradigmenwechsel
Beim Kanalbetrieb änderten sich bald die gesellschaftlichen und betrieblichen Rahmenbedingungen. Technisch blieb weitgehend alles beim Alten, aber die kriegsbedingten Verluste an Mitarbei- tern und Technik, sowie die sozialisti- sche Umgestaltung der Wirtschaft in der sowjetischen Besatzungszone und der ab 1949 gegründeten DDR bestimmten den Arbeitsalltag. Durch die Kommunal- wirtschaftsverordnung von 1948 wurden
die Energie- und Wasserversorgung sowie die Stadtentwässerung ab 1949 in einem Kommunalwirtschaftsunternehmen (KWU) zusammengefasst. Damit wurde die Zu- ordnung der Stadtentwässerung zum Tiefbauamt und zur Dresdner Verwaltung beendet. Gemeindeeigentum wurde zu Volkseigentum. Die Ära der sozialistischen Planwirtschaft begann.
Zunächst mussten bei der Beseitigung der Kriegsschäden Prioritäten gesetzt werden, bald waren aber auch systemimmanente Probleme die Ursache, dass die gesell- schaftliche Wertschätzung der Aufgabe
„Stadtentwässerung“ in den folgenden Jahren und Jahrzehnten immer mehr in den Hintergrund gerückt wurde. Die ge- ringe Entlohnung im Vergleich zu Stellen im „produzierenden Bereich“ und die schlechten Arbeitsbedingungen führten zu einem Personalrückgang. Auch der Qua- lifizierungs- und Zuverlässigkeitsgrad der Mitarbeiter nahm ab. Waren 1948 noch ca. 170 Kanalarbeiter und Handwerker be- schäftigt, sank die Mitarbeiteranzahl auf etwa 35 im Jahre 1989.
Organisatorisch war der Kanalnetzbetrieb im Jahr 1948 in drei Kanalnetzbezirke mit sieben Betriebsstellen unterteilt:
■ Bezirk 1 (Neustadt) – Leiter Hr. Streul, mit den Betriebsstellen 1 – Liststraße, 2 – Dr.-Kurt-Fischer-Allee und 3 – Fi- delio-F.-Finke-Straße
■ Bezirk 2 (Südost) – Leiter Hr. Büchner, mit den Betriebsstellen 4 – Marien- berger Straße und 5 – Tatzberg
■ Bezirk 3 (Nordwest) – Leiter Hr. Gold- berg, mit den Betriebsstellen 6 – Weißeritzstraße und 7 – Flügelweg
Neue Herausforderungen
Mit den Eingemeindungen von Stadtteilen wie Klotzsche, Hellerau, Niedersedlitz, Zschertnitz und Zschieren im Jahr 1950 erfolgte auch eine deutliche Vergrößerung des zu wartenden Kanalnetzes. Erstmals gehörten auch Trennkanalisationen zu den Betreiberaufgaben. Weitere eingemein- dete Stadtteile entlang des Elbhanges waren noch nicht kanalisiert – dabei blieb es auch bis nach der politischen Wende 1989.
Bei der städtebaulichen Planung für den Wiederaufbau diskutierten die Stadt- oberen unter Einmischung der kommu- nistischen Führung in Berlin zunächst sehr unterschiedliche Lösungen, die von der Wiederherstellung des Zustandes vor 1945 bis zu einer völlig neuen Stadtstruk- tur reichten. 1951 wurden die Weichen
hin zu dem dann tatsächlich verwirklichten Stadtbild gestellt. Dazu gehörte v. a. auch die Anlage breiter Verkehrstrassen durch die Innenstadt, welche zur Folge hatte, dass viele kleine Gassen beseitigt wurden, die das historische Zentrum einst geprägt hatten. Bestand und Betrieb der Kanalisa- tion spielten dabei keine besondere Rolle. Viele Kanäle wurden durch Gebäude über- baut, außer Betrieb genommen oder ge- schliffen. Den damaligen Verantwortlichen für die Dresdner Stadtentwässerung müs- sen im Rahmen dieses Planungsprozesses die Haare zu Berge gestanden haben, so rigoros wurde der Errichtung von breiten Straßen für Aufmärsche und Demonstra- tionen der Vorrang vor einer zweckmäßigen Stadtinfrastruktur mit historischem Bezug gegeben (s. Bild links).
Die außer Betrieb genommenen Kanal- abschnitte wurden nicht in die späteren Kartenwerke (Spezielle Leitungskarten –
„SpeLeiKa“) übernommen und gerieten über die Jahre in Vergessenheit. Sie sorgen heute regelmäßig für einige Auf- regung, wenn sie im Zuge der Planung von Hochbauten wiederentdeckt werden. Ein Beispiel dafür ist die Kanalisation der ehe- maligen Albrechtstraße, die jahrzehnte- lang unter einer Innenhofwiese verborgen war.
Bildung des VEB WAB
1964 wurde von der DDR-Regierung beschlossen, für jeden Bezirk einen
„Volkseigenen Betrieb Wasserversorgung und Abwasserbehandlung“ (VEB WAB) zu bilden, der in Betriebsbereiche, später in Bereichsdirektionen (BD) gegliedert wurde. Die Aufgabe der Dresdner Stadt-
entwässerung lag bei der BD Dresden, die ihren Sitz in der WAB-Zentrale am Palais- platz 2b hatte. Zuvor war die Aufgabe der Gewässerunterhaltung mit 33 Mitarbei- tern an die Oberflussmeisterei „Obere Elbe-Neiße“ abgegeben worden, die der Straßenablaufreinigung an das Straßen- wesen der Stadt. Diese Aufgabentrennung hatte u. a. zur Folge, dass bald die bisher obligatorischen Schlammeimer in den Straßengullys abgeschafft wurden, was
zu einem erhöhten Eintrag von Laub und Straßenkehricht in die Kanalisation führte. Mit den damaligen Reinigungsmethoden und der reduzierten Personaldecke konnte dem nicht adäquat begegnet werden. Die Ablagerungen in den Kanälen wuchsen den Arbeitern über den Kopf. Ab den 1970er Jahren stellten sich zunehmend Betriebsprobleme in Form von Rückstau und Verstopfungen ein.
Autor: Frank Männig, Stadtentwässerung Dresden GmbH, wird fortgesetzt.