Teil 4: Die Kanalisierung der heutigen Neustadt und eine erste Satzung
Bereits im Jahre 1745 war der Verlauf der noch heute existierenden Straßenzüge der Äußeren Neustadt nördlich der Bautzner Straße, des damaligen „Neuen Anbaus auf dem Sande“, angelegt worden. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde dann auch südlich der Bautzner Straße mit dem Bau von Häusern begonnen. Nach der im Gegensatz zur Altstadt reibungslos verlaufenen Schleifung der Festungsanlagen, für das Jahr 1824 ist z. B. die „Demolierung der Festungswerke vor dem Schwarzen Thore“ belegt, verschmolz das ehemalige Altendresden mit seiner Vorstadt.
Diese wurde seit 1835 zu Ehren des damals amtierenden Königs „Antonstadt“ genannt. Die neu entstandene Bebauung wurde zumindest teilweise, so viel ist belegt, zunächst über Senkgruben entwässert. Über Schleusen innerhalb der Neustädter Festungsmauern sind (dem Autor) bislang noch keine verlässlichen Fakten bekannt. Ob anstelle der verfüllten Festungsgräben – wie um die Altstadt – Schleusenbauten erfolgten, ist nur im Zuge der Theresienstraße zu vermuten. Nach 1850 erfolgte dann zunächst nördlich der Bautzner Straße der Bau einiger Schleusen.
Ein Grundstücksentwässerungsantrag im Dresdner Stadtarchiv belegt, dass um 1857 auf der Waldgasse (der heutigen Görlitzer Straße) eine solche existierte. Der Antrag enthält eine Entwässerungsskizze eines Hauses am Bischofsweg/Ecke Waldgasse. Auf dem Bischofsweg selbst war noch keine Kanalisation vorhanden, also wurde an den letzten (damals typisch) rechteckigen Schacht des Kanals auf der Waldgasse angebunden. Der Anschluss wurde vermutlich aus Sandstein ausgeführt – der Beginn der Verwendung von Tonröhren als Kanalrohre ist in Dresden erst auf das Jahr 1873 datiert.
Das Hochwasser von 1845
Das Extremhochwasser von 1845 traf auch weite Teile der Antonstadt. Glacisstraße, Teile des Albertplatzes, der Bautzner Straße und der Alaunstraße bis zur Louisenstraße standen unter Wasser. Als Reaktion auf diese Katastrophe begannen ab 1861 Regulierungsarbeiten am gesamten Elbelauf. Elbinseln wurden beseitigt, unregelmäßige Uferlinien begradigt, wodurch sich die Strömungsgeschwindigkeit vergrößerte und das Flussbett vertiefte. Die Durchflusskapazität erhöhte sich, die Schiffbarkeit wurde verbessert.
Für die Neustadt besteht zudem, wegen der Veränderung der topografischen Verhältnisse im Nachgang des Verfüllens des Festungsgrabens entlang der Glacisstraße, seitdem kaum Hochwassergefahr mehr. Im Jahre 1865 wurde die Breite der Elbe und der Elbwiesen in Dresden festgelegt und das Gebiet vor Bebauung geschützt – bis heute!
Eine erste Ortssatzung
Im Jahre 1856 verabschiedete der Dresdner Stadtrat das „Regulativ die Anlegung, Erweiterung und Regelung der Straßen, Wege und öffentlichen Plätze innerhalb des Polizeibezirks Dresden, deren Pflasterung, sowie die Legung von Trottoirs und Erbauung der Schleußen ingleichen die Unterhaltung dieser Anlagen betreffend“.
Es enthielt neben technischen Vorgaben vor allem auch Kostenumlageregelungen und sollte von den Bürgern der Stadt nicht kommentarlos hingenommen werden. Doch zunächst wurde am 30. Juli 1859 vom Stadtrat der Beschluss über Kanalbauten in der Antonstadt gefasst, so wird im Vorwort zum „Schleußensystematisierungsproject“ rückgeblickt. Dieser wäre notwendig, weil bislang, anders als in der Altstadt, keinerlei Kanäle vorhanden wären.
Geteilte Meinungen zur Beschleusung der Antonstadt
Der Dresdner Verleger und Buchhändler Carl Höckner legte der Öffentlichkeit noch im gleichen Jahr eine Schrift mit dem Titel „Der Schleußen-Bau in Antonstadt beurtheilt von einem durch denselben und über denselben betroffenen Grundstücksbenutzer“ vor. Grund ihres Erscheinens ist die Anordnung des Stadtrats zur Errichtung von Schleusen auf dem Oberen und Unteren Kreuzweg, der Alaun- und Birkengasse, der Katharinen-, Hospital-, Glacis- und Georgenstraße.
Die Notwendigkeit einer Beschleusung bestünde zwar in den tief liegenden Bereichen der Alaun- und Katharinenstraße, deren Bewohner dem wohl auch zustimmend gegenüberstehen würden, südlich der Bautzner Straße sei aber weder Wasser in den Kellern, noch gebe es Probleme mit dem Brunnenwasser. Mit Hinweis auf die linkselbische „Hauptschleuse auf dem Elbberge“ werden von den Anwohnern vielmehr Rückstau bei Elbhochwasser, eine Rattenplage und ein Alleensterben wegen des Feuchtigkeitsentzuges befürchtet. Der Autor nimmt Bezug auf das jüngst verabschiedete Ortsgesetz und fordert dessen Revision.
So sollen z. B. die Eigentümer unbebauter Grundstücke auf der Hospitalstraße 2197 Taler zum Schleusenbau beitragen – aus Höckners Sicht völlig unverhältnismäßig. Und diese Auffassung wird wenig später von offizieller Stelle geteilt werden, nämlich im Vortrag an das Rathskollegium zu Dresden, erstattet von Edmund Peschel, Stadtrat, präsentiert am 7.4.1865 zum Thema „Über die Bestraßungs- und Beschleußungsverpflichtungen“. Stadtrat Peschel nimmt Bezug zum Konflikt zwischen öffentlicher Aufgabe und privater Kostenbeteiligung und schlägt eine Revision des neun Jahre alten Regulativs von 1856 vor.
Eingangs beschreibt Peschel die Grundzüge eines „systematisierten Entwässerungssystems“, welches auch volkswirtschaftlich die beste Lösung darstelle – 12 Jahre vor Druck des „Schleußensystematisierungsprojectes für die Altstadt“. Mit Hinweis auf die Entwässerungssysteme in Paris, London und Berlin, bei welchen die Führung der Hauptkanäle parallel zum natürlichen Wasserlaufe mit Einmündung unterhalb der Stadt realisiert bzw. geplant sei, soll in Dresden ein System gemauerter, unterirdischer Abzugskanäle mit Einschüttung in perennierende Wasserläufe errichtet werden. Dabei soll jedes Entwässerungsgebiet jeweils einen Hauptkanal erhalten.
Hinsichtlich Finanzierung, Rechten und Pflichten spricht Peschel von der Notwendigkeit eines Genossenschaftsverhältnisses. Er schlussfolgert u. A., dass für alle bebauten Grundstücke eine Beschleußungsnotwendigkeit bestehen müsse. Straßen und Schleußen sind durch die Stadtgemeinde vor Beginn der Bebauung auf Kosten der Grundstückseigentümer anzulegen. Maßstab für Kostenumlagen sollen die Frontlänge oder alternativ die Frontlänge kombiniert mit Fläche sein. Den Unterhalt der Kanalisation soll die Stadtgemeinde bestreiten.
Ob die private Anschlussleitung bis zur Grundstückgrenze oder bis zum Hauptkanal reicht, sollte zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden. Die von Carl Höcker für unnötig erachteten Schleusen um die Glacisstraße herum wurden ungeachtet seiner Vorbehalte dann doch Anfang der 1870er Jahre errichtet. Bereits 30 Jahre später verschwanden sie teilweise wieder, so geschehen auf der Georgenstraße und dem Oberen Kreuzweg im Zuge des Aufbaus der „Neuen Kanalisation“ unter Hermann Klette.
Autor: Frank Männig, Stadtentwässerung Dresden GmbH, wird fortgesetzt.