Eigentlich ist die Abwasserabgabe ein sehr erfolgreiches und marktwirtschaftliches Lenkungsinstrument. Seit ihrem Bestehen, im Westen seit 39, im Osten seit 30 Jahren, investierten die Abwasserentsorgungsunternehmen über 180 Milliarden Euro in die Ertüchtigung der technischen Anlagen mit einer zweiten und dritten Reinigungsstufe sowie in die Modernisierung relevanter Netzbereiche. Der Erfolg mit Blick auf die Verbesserung der Wasserqualität der Oberflächengewässer, ob am Rhein, der Donau oder an der Elbe, ist deutlich erkennbar!
Die Zielsetzung wäre damit erfüllt, eine Abschaffung dieser Sonderabgabe die logische Folge. Doch die Bundesregierung konnte sich bisher hierzu nicht durchringen und setzt stattdessen mit dem aktuell im Durchlauf des Bundeskabinetts befindlichen Referentenentwurf auf eine Art Modernisierung des Abwasserabgabengesetzes. Unbestritten ist, dass in den letzten Jahren neue Herausforderungen wie anthropogene Spurenstoffe, multiresistente Keime oder Mikroplastik neue Schwerpunkte der Diskussion im Wassersektor bilden.
Hinzu kommen klimawandelbedingt Themenstellung der Wasserverfügbarkeit, die Bewirtschaftung entlang der Flusseinzugsgebiete nach den Erfordernissen der europäischen Wasserrahmenrichtlinie oder der gesetzlich beschlossene Umgang mit Klärschlamm und Phosphorrecycling. Wesentliche Themen dieser neuen Herausforderung werden derzeit in umfänglichen Dialogverfahren wie dem Spurenstoff- und dem nationalen Wasserdialog unter Federführung des Bundesumweltministeriums aufgenommen. Insbesondere im Spurenstoffdialog war als einvernehmliches Ergebnis zu verzeichnen, dass quellenbezogenen Maßnahmen und der Durchsetzung des Verursacherprinzips der Vorrang zu geben ist vor sogenannten End-of-Pipe-Maßnahmen, darunter dem Bau von vierten Reinigungsstufen.
Statt flächendeckendem Ausbau mit vierten Reinigungsstufen einigte man sich darauf, dass sich die technische Aufrüstung bei Kläranlagen auf besonders sensible Gewässerpunkte beschränken sollte. Nicht zuletzt wurde zur verursachergerechten Finanzierung nachgeordneter Maßnahmen über den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft – BDEW – das Modell eines Fonds eingebracht, über welchen auch die Verursacherindustrien entsprechend eingebunden werden. Doch verursachergerechte Lösungen und neue innovative Ansätze zu finden, erfordert Zeit und die Fortsetzung eines vertrauensvollen Dialoges. Unterstellt, dass es bei dem Ziel der Modernisierung der Abwasserabgabe bleiben sollte, muss sich die Bundesregierung auch grundsätzlich fragen lassen, welchem Anspruch diese Gesetzesreform genügen soll.
Im Minimum sollte sie sich an folgenden Ausrichtungen messen lassen:
1. Die Abwasserabgabe braucht eine Gesamtstrategie, die zu tatsächlicher Gewässerqualitäts- und Gewässerzustandsverbesserung führt
Obgleich im Referentenentwurf als Anspruch formuliert, bleibt die Einordnung in eine Gesamtstrategie von Bund und Ländern bestenfalls nebulös und damit insgesamt ohne klare Ausrichtung. Abseits der Erhöhung des Aufkommens durch die Einführung einer pauschalen Spurenstoffabgabe und dem Wegfall der Halbierung der Abwasserabgabe beim Erreichen des jeweiligen technischen Standards, ist die einzige klare Zielsetzung, die Errichtung von vierten Reinigungsstufen flächendeckend für alle Kläranlagen größer 50.000 Einwohnergleichwerte.
Die pauschale Spurenstoffabgabe berücksichtigt dabei in keiner Weise die Gewässerqualität sowie den Einfluss des Kläranlagenablaufs auf den Vorfluter. Eine Erhebung der Abgabe allein durch das analytische Detektieren oberhalb der Nachweisgrenze mit einer nicht nachvollziehbaren Liste von Stoffen widerspricht allen bisher vereinbarten Ansätzen. Und nicht nur das, es hilft auch nicht dabei, die Ziele der europäischen Wasserrahmenrichtlinie einzuhalten.
Auch wenn die Elbe mit vierten Reinigungsstufen zugebaut würde, bliebe die Gewässerkarte in der Intention der Wasserrahmenrichtlinie rot. Die Abwasserabgabe mutiert mit einem solchen Vorgehen zu einer Art Geldeinsammel-Maschine ohne jede Lenkungswirkung.
2. Eine Lenkungswirkung in Richtung quellenbezogener Verminderung und Vermeidung ist zwingend
Eine nachhaltige Gesamtstrategie sollte Emissionen bestmöglich in der Art und Weise der Produktion und des Verbrauchs minimieren, sodass Stoffe mit potenzieller Schadwirkung in einem mittel- und langfristigen Zeitraum in der Grundstoffproduktion substituiert oder durch effizienteren Gebrauch minimiert werden können. Verschiedene Forschungsprojekte, darunter unser Dresdner Projekt MikroModell und erste Erfahrungen zur Sensibilisierung von Öffentlichkeit und spezifischen Zielgruppen wie beispielsweise Ärzten und Apothekern lassen den Schluss zu, dass es bei entsprechender politischer Zielsetzung zu deutlichen Eintragsminderungen kommen kann.
Weshalb sollte es nicht gelingen können, dass die rund 40 Prozent Einsparungen in der Medikamentengabe am Uniklinikum Dresden durch kluge pharmakologische Beratung zum bundesweiten Vorbild werden? Das wäre gut für die Gesundheit der Patienten, gut für die Kosten im Gesundheitssystem und gut für unsere Gewässer! Doch von solchen Ansätzen findet sich im Referentenentwurf nichts. Die angedachte Erweiterung der Abwasserabgabe durch eine pauschale Spurenstoffabgabe und den Wegfall der Halbierung in den Verrechnungsmöglichkeiten, allein zu tragen von den Kläranlagenbetreibern, betrifft in der Belastung ausschließlich die Bürger und Unternehmen des jeweiligen Einzugsgebietes. Für Verursacherindustrien und auch für die Landwirtschaft entsteht keinerlei Anreiz, über die wesentlichsten Emissionsquellen auch nur nachzudenken.
3. Die Belastung von Bürgern und Unternehmen muss ernst genommen werden
Im Referentenentwurf entsteht der Eindruck, dass durch die Novellierung des Abwasserabgabengesetzes keine größeren Belastungswirkungen für Bürger und Unternehmen entstünden. Das ist falsch. Unterstellt, die Stadtentwässerung Dresden zahlt ausschließlich die novellierte Fassung der Abwasserabgabe sowie die neue Spurenstoffabgabe, ergibt sich eine Kostensteigerung im Vergleich zum bisherigen Status quo von rund 920.000 Euro pro Jahr.
Entscheidet sich die Stadtentwässerung Dresden hingegen sogar für den Bau einer vierten Reinigungsstufe, so wie das im Referentenentwurf für eine Kläranlage dieser Größenklasse gewünscht ist, fielen, unabhängig vom gewählten Verfahren, zusätzliche jährliche Gesamtkosten zwischen 4,8 und 6,8 Millionen Euro an, darunter im Besonderen eine erhebliche Steigerung der Energiekosten.
Nicht zuletzt haben viele der großen Kläranlagenbetreiber, so wie Dresden, in den letzten Jahren umfänglich in das Thema Energieoptimierung und Erneuerbare Energien investiert mit dem Ziel einer klimaneutralen, energieautarken Versorgung. Mit einem Gesamtenergiebedarf von 23.500 Megawattstunden kann dieses Ziel auch in Dresden in den nächsten Jahren mit Hilfe einer modernen Faulungsanlage erreicht werden. Dies würde dann mit rund 25.000 Tonnen CO2-Einsparung einen relevanten Beitrag zu den Klimaschutzanstrengungen der Landeshauptstadt leisten. Allein der Betrieb einer vierten Reinigungsstufe erzeugt jedoch eine Steigerung des Energiebedarfs um rund 50 Prozent und damit eine erneute CO2-Belastung von rund 10.000 Tonnen pro Jahr.
4. Eine europäische Vorgehensweise ist zwingend für erfolgversprechende Verbesserungen der Gewässerqualität
Orientiert an der europäischen Wasserrahmenrichtlinie und dem hierin zurecht verankerten Vorsorge- und Verursacherprinzip sowie der Flussgebietsbewirtschaftung nach gemeinsamen Qualitätskriterien erachten wir den Umgang mit Spurenstoffen als eine zwingend auf europäischer Ebene gemeinsam zu lösende Herausforderung. Wirklich nachhaltige Lösungen der Minderung von Schadstoffeinträgen mit Blick auf Verursacherindustrien lassen sich nur gemeinsam sinnvoll bewerkstelligen. Umgekehrt gilt, dass ohne direkte Beurteilung des jeweiligen Fließgewässers, und dies gilt erst recht bei grenzübergreifenden Einzugsgebieten, trotz erheblichen Finanzmitteleinsatz nur begrenzte Erfolge im Sinne eines guten ökologischen und chemischen Zustandes erreicht werden können. Der bisherige Erfolg der Gewässerverbesserung in der Elbe ist ganz wesentlich auch den flächendeckenden und grenzübergreifenden, einheitlichen Maßstäben zu verdanken. Beim Umgang mit Spurenstoffen ist dies bis heute weder mit Blick auf die Verursacherindustrie, noch mit Blick auf die Flussgebietsbewirtschaftung klar erkennbar. Ziel der Bundesregierung muss es deshalb sein, die Chance, die sich unter dem Stichwort „Green Deal“ der neuen europäischen Kommissarin ergibt, auch für die Verbesserung der Gewässerqualität zu nutzen und auf europäischer Ebene für einen gemeinsamen Umgang und eine gemeinsame Zielsetzung Sorge zu tragen.
Gunda Röstel
kfm. Geschäftsführerin
Stadtentwässerung Dresden GmbH