Dresden. Kanalsanierer Oliver Kulz steht vor seinem großen Saug- und Spülfahrzeug auf der Seidnitzer Luchbergstraße. Seit April arbeitet der 50-Jährige von der Kesselsdorfer Spezialfirma Berndt mit seinem Kollegen David Schröder im Gebiet zwischen Bodenbacher und Winterbergstraße in Dresden. Die Fachleute haben die gesamte Technik vor Ort, um Kanäle und Schächte zu inspizieren und letztlich auch schrittweise zu sanieren.
"Hier läuft es wirklich gut", sagt Kulz, als Teamleiter Norman Wonka und Bauüberwacher Daniel Philipp von der Stadtentwässerung Dresden vorbeikommen. "Bis Jahresende werden wir fertig", versichert der Kanalsanierer.
Die Strategie: Planer haben 29 Gebiete im Blick
Wonka ist zufrieden, dass es in Seidnitz so zügig vorangeht. Der 52-Jährige leitet das Team Eigenplanung der Stadtentwässerung. "Das ist eine Art hauseigenes Ingenieurbüro", erklärt er. Die Spanne der Aufgaben reicht von der Planung über die Organisation des Baus bis hin zur Überwachung. Dabei wird seit 2017 eine besondere Strategie verfolgt. Wurden bis dahin schadhafte Kanäle nur abschnittsweise erneuert, so geht sein Team jetzt ganz systematisch vor.
Das Dresdner Kanalnetz ist rund 1.800 Kilometer lang. Rund die Hälfte der Kanäle wurde nach der Wende saniert. Außerdem wurde das alte unterirdische Netz so gut gebaut, dass noch heute alte Kanäle teilweise in solidem Zustand sind. Allerdings müssen etwa 15 Prozent des Kanalnetzes, was einer Gesamtlänge von rund 250 Kilometern entspricht, in den kommenden Jahren saniert werden. "Deshalb haben wir 29 Sanierungsgebiete ausgewiesen", erklärt Wonka. Dabei gibt es zwei Schwerpunkte.
Als einen nennt der Teamleiter die Beseitigung punktueller und lokaler Schäden an vorhandenen Kanälen. Dabei geht es um undichte Stellen in der Betonröhre, kaputte Abwasser-Schächte oder ihre Abdeckungen, führt er einige Beispiele an.
Alte Kanäle wieder wie neu
Sind die Schäden im Kanalnetz aber größer, müssen die Röhren, die in diesem Gebiet zwischen 25 Zentimetern und 1,2 Metern stark sind, grundlegend saniert werden. Möglich ist das, wenn sie noch stabil sind. Das geschieht im sogenannten Inlinerverfahren. Dabei werden harzgetränkte Glasfaser- oder Nadelfilzschläuche in die Kanäle eingezogen. Sie härten mit UV-Licht oder warmem Wasser aus und dichten die Röhren wieder zuverlässig ab. Der Schlauch wird über einen Schacht eingezogen, sodass der Straßenabschnitt nur kurzzeitig halb gesperrt werden muss. "Dadurch halten sich die Beeinträchtigungen für die Bürger in Grenzen", sagt Wonka.
Ein Blick in einen neu abgedichteten Kanal. Der Schlauch des Inliners dichtet die Wand für Jahrzehnte sicher ab.
Acht Gebiete schon geschafft
In neun Gebieten sind die Arbeiten bereits abgeschlossen. Dabei haben die Sanierer insgesamt rund 23 Kilometer lange Kanäle in Ordnung gebracht, wofür die Stadtentwässerung über elf Millionen Euro investiert hat. Als ein Beispiel führt der Teamleiter das Briesnitzer Gebiet zwischen der Warthaer Straße und Am Lehmberg an. Die Arbeiten hatten im Frühjahr 2020 begonnen und waren Ende vergangenen Jahres abgeschlossen worden.
Einerseits wurden dort ein bis zwei Meter lange Kanalabschnitte erneuert, weil sie undicht waren. Zum anderen haben 50 bis 100 Meter lange Kanalabschnitte im Inlinerverfahren eine neue, dichte Innenhaut bekommen. Nur in diesen kurzen Bereichen zwischen zwei Abwasserschächten gab es Verkehrseinschränkungen. Für knapp zwei Millionen Euro sanierte die Stadtentwässerung insgesamt über drei Kilometer lange Kanäle in diesem Gebiet.
Für die Sanierungsarbeiten sind nur kurzzeitig halbseitige Sperrungen nötig. Das sieht Teamleiter Norman Wonka von der Stadtentwässerung als erheblichen Vorteil der Sanierungsstrategie.
Bereits 2020 konnte auf diese Weise das bisher größte Sanierungsgebiet in Kleinschachwitz und Meußlitz fertiggestellt werden. Das befindet sich zwischen Meußlitzer, Zschierener, Berthold-Haupt- und Damaschkestraße.
Flotte Sanierer in Seidnitz
Neun weitere Sanierungsgebiete sind konkret geplant, für die knapp elf Millionen Euro investiert werden. In einigen davon haben die Arbeiten begonnen, so in Seidnitz. Weit vorangekommen sind dort die Kesselsdorfer Kanalsanierer Oliver Kulz und Daniel Schröder. "Wir bieten hier das Rundum-sorglos-Paket", sagt Kulz und verweist auf die einzelnen Arbeitsschritte.
Mit dem Spül- und Saugfahrzeug wird der jeweilige Kanalabschnitt zuerst gereinigt. Ist er vom Schmutz befreit, lassen die Sanierer den Kamerawagen in den Schacht hinab, sodass mit der TV-Technik die Schäden im bis zu 100 Meter langen Abschnitt zwischen zwei Schächten erfasst werden können.
Oliver Kulz lässt den Wagen mit der TV-Kamera in einen Abwasserschacht hinab. Damit werden die Schäden im Kanal ermittelt.
Seit Juni werden an der Luchbergstraße harzgetränkte glasfaserverstärkte Kunststoffschläuche von einem Schacht zum nächsten eingezogen und mit Druckluft aufgepumpt, sodass der Kanal eine neue Innenhaut bekommt. Letztlich wird eine drei Meter lange Kette von UV-Strahlern durch den Kanal gezogen, sodass der Inliner aushärtet.
"An einem Tage schaffen wir alle Arbeitsschritte, die für einen Einbau des Liners in einem Abschnitt erforderlich sind", erklärt Kulz. Das Abwasser in den benachbarten Häusern kann während dieser Zeit in den Anschlüssen gestaut oder – falls nötig – abgepumpt werden. Auch für die erforderlichen Vor- und Nacharbeiten zum Einziehen des Schlauchs gibt es nur kurzzeitig halbseitige Sperrungen.
So sieht einer der frisch sanierten Abwasserschächte aus.
"Hier hat wirklich alles gut funktioniert", sagt Projektleiter Daniel Philipp. Ab Jahresende ist es dann mit den kleinen Verkehrseinschränkungen im Seidnitzer Viertel um die Luchbergstraße vorbei.
Kanalsanierer am Goldenen Reiter
Im kommenden Jahr setzen die Kanalsanierer in mehreren Gebieten ihre Arbeit fort. Dazu zählen unter anderem die Bereiche zwischen dem Goldenen Reiter und dem Albertplatz in der Inneren Neustadt sowie in Altnaußlitz und Altkaitz, kündigt Teamleiter Wonka an. Bis 2024 sollen Kanäle auf einer Länge von knapp 34 Kilometern saniert werden.
von Peter Hilbert