Die Stadtentwässerung hat das Kanalnetz nach der Wende wieder so ausgebaut, dass es hervorragend funktioniert. Damit dies in den großen Kanälen so bleibt, werden besondere Geräte eingesetzt – die selbst fahrenden Stauwagen. Und das schon seit Ende des 19. Jahrhunderts. Die Wagen haben ein Schild, das sich dem Kanal anpasst. Zwischen Schild und Sohle bleibt nur ein zehn Zentimeter großer Spalt. „Dadurch kann die Energie des Wassers genutzt werden“, erläutert Thomas Würfel. Und dies ganz umweltfreundlich. Als Teamleiter ist er bei der Stadtentwässerung für die Wartung der Kanäle zuständig.
Die bewährte Technik wurde weiterentwickelt. Dann musste die Stadtentwässerung im Altstädter Abfangkanal eine gewaltige Aufgabe lösen. „Dabei ging es um den Abschnitt zwischen dem Kanalnetzstützpunkt neben der Yenidze und dem Flügelweg, wo das Abwasser durch einen Düker, das ist eine Art Tunnel, unter der Elbe hindurch zum Klärwerk Kaditz fließt“, sagt Würfel. Die Jahrhundertflut 2002 hatte Kies und Geröll in den Kanal gespült. „Die Steinchen waren bis zu vier Zentimeter groß und hatten sich im Laufe der Jahre fest auf der Kanalsohle abgesetzt“, erzählt er. Zudem war 2006 das Gebiet Pirna/Heidenau an den Abfangkanal angeschlossen worden, sodass das Abwasser höher steht.
Die alten Stauwagen waren überfordert, diese Ablagerungen zu beseitigen. Zwar wurde dies mehrfach versucht. „Sie wurden aber immer wieder darübergeschoben“, berichtet Würfel.
Da hatte Kanal-Abteilungsleiter Frank Männig die Idee, das über 100 Jahre alte bewährte System für diesen Fall zu perfektionieren und einen neuen Stauwagen zu konstruieren. Also wurde ein solches Gefährt gemeinsam mit Spezialisten der Technischen Universität Dresden entwickelt. An diesem Super-Stauwagen gibt es mehrere Neuerungen. „So hat er Bremsen, damit der Wagen bei Starkregen oder Gewitter durch das viele Wasser nicht zu schnell und somit zur Gefahr wird“, erläutert Würfel. Für solche Fälle verfügt die Konstruktion auch über eine Klappe, die bei zu starkem Druck umklappt, sodass das Wasser ungebremst abfließen kann. Außerdem wurden Schilder für die verschiedenen Kanalprofile gebaut, ein gerades und ein halbrundes mit jeweils zehn Zentimetern Abstand zur Sohle.
Die besondere Neuerung ist ein zusätzliches Schiebeschild mit einer Spitze vorm Stauwagen. Damit können große Ablagerungen gelockert werden. „Das hat den Erfolg gebracht“, erklärt Würfel. Gegenüber den alten Stauwagen ist die neue Konstruktion aus Edelstahl allerdings ein Schwergewicht. Bringt die alte Technik rund 350 Kilogramm auf die Waage, so wiegt das moderne Gefährt etwa 1,5 Tonnen.
Im November 2015 wurde begonnen, den Altstädter Abfangkanal ab der Weißeritzstraße zu beräumen. Stück für Stück ist der Stauwagen nach vorn gerollt und hat den Berg vor sich hergeschoben. „Pro Tag ist er etwa 1,5 Meter vorangekommen“, sagt Würfel. So ist es bis Februar 2016 gelungen, den knapp drei Kilometer langen Kanal-Abschnitt von Kies und Geröll zu reinigen. Die Betonröhre ist in dem Stück zwischen 2,9 und 3,2 Meter hoch. Am Ende des Abschnitts ist vor dem Abwasser-Tunnel am Flügelweg ein Kanalnetzstützpunkt. Auf dem gibt es einen tiefen Sandfang, in dem solche Ablagerungen gesammelt werden, damit sie nicht in den Tunnel kommen. „Dort haben wir sie mit einem großen Bagger herausgeholt“, berichtet der Teamleiter. Insgesamt mussten 70 Tonnen Kies und Geröll abtransportiert werden.
Damit konnte die Stadtentwässerung erheblich sparen. Denn es hätte auch die Möglichkeit gegeben, den Kanal in diesem Abschnitt mit einem großen Saug- und Spülfahrzeug von den Geröllbergen zu befreien. „Mit dem neuen Stauwagen haben wir aber 70.000 Euro gegenüber dieser Variante eingespart“, rechnet Würfel vor.
Anfang 2018 wird der Stauwagen zur nächsten unterirdischen Reinigungstour von der Yenidze zum Flügelweg starten. Von dieser Erfahrung will die Stadtentwässerung jetzt auch beim großen Kanal von der Augsburger Straße durch die Uniklinik profitieren. Dort hat sich eine bis zu 40 Zentimeter hohe Dreckschicht abgelagert. Doch aufgrund des Kanalprofils kann der neue Super-Wagen nicht eingesetzt werden. Also baut derzeit eine Coswiger Schlosserei ein zusätzliches Schiebeschild an einen alten Wagen. So gerüstet, soll er Mitte September die Fahrt unter der Uniklinik beginnen.
Quelle: Sächsische Zeitung, Peter Hilbert