Dresden. Dass ein Lkw der Bauabteilung der Stadtentwässerung durch den Glockenspielpavillon in den Zwingerhof rollt, ist einmalig. Aus gutem Grund ist dies jedoch Anfang Oktober dieses Jahres geschehen. Sandsteinteile eines Kanalabschnitts, der vor etwa 305 Jahren im Zwingerhof eingebaut wurde, konnten zum Klärwerk Kaditz abtransportiert werden. Ermöglicht hat das Hartmut Olbrich. Der promovierte Bauhistoriker und Archäologe untersucht seit Anfang 2021 mit seinem Team vom Landesamt für Archäologie den Zwingerhof. Damit leisten sie die Vorarbeit, damit der Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) den Zwingerhof sanieren kann.
Mindestens drei unterschiedliche Sandsteinkanäle haben die Archäologen im Zwingerhof freigelegt. Direkt neben der Freitreppe vor der Gemäldegalerie hatten die Archäologen den ältesten Sandsteinkanal freigelegt, der aus der Hofmitte in Richtung Theaterplatz verläuft. Experte Olbrich geht davon aus, dass er in den 1670er-Jahren im Zuge des Baus des zweiten Reithauses angelegt wurde. Das ist einer der Vorgängerbauten im Bereich des heutigen Zwingers. Damit ist der Kanal rund 350 Jahre alt. Ab 1709 lässt August der Starke den Zwinger errichten.
Einen Steinwurf entfernt vom ältesten liegt der im Frühjahr 2023 freigelegte zweitälteste Kanal. Er stammt aus der Zeit ab 1710, als der Zwinger bereits in Bau war.
Das dritte Kanalsystem mit quadratischen Deckplatten datiert der Experte auf 1718/1719. Zu dieser Zeit wurde der Zwingerhof bereits als Festplatz für die Fürstenhochzeit von Augusts Sohn Kurprinz Friedrich August mit der habsburgischen Kaisertochter Maria Josepha im September 1719 hergerichtet und die große Fläche musste aufwändig entwässert werden.
Kanalnetzchef Frank Männig von der Stadtentwässerung hatte sich im Juni dieses Jahres im Zwingerhof mit Hartmut Olbrich getroffen. „Für mich ist es natürlich interessant, wie die Kanäle im Zwinger mit den Kanalsystemen in den umliegenden Gebieten zusammenhängen“, sagt der Archäologe mit Blick auf Männigs Erklärungen. Er hatte dem Archäologen erläutert, welches Kanalsystem es vor dem Zwinger unter dem Theaterplatz gibt. Nach dem Austausch der beiden Fachleute war klar, dass es auch rund 350 Jahre alt ist.
Ein Stück dieses Kanals von 1718/1719 musste abgebaut werden, da es beim Einbau einer neuen Brunnenstube im Wege sein wird, erklärt Olbrich. Dabei handelt es sich um eine Art unterirdischen Raum für die Brunnentechnik. „Ich hatte die Sandsteine des alten Kanals auf Paletten lagern lassen, um sie möglicherweise wiederzuverwenden“, sagt er. Da sei es ihm gerade recht gekommen, dass Kanalnetzchef Männig fragte, ob er ein Stück des alten Zwingerkanals für die Kanal-Ausstellung im Klärwerk haben könne. Jetzt ist es das älteste Teil, das dort zu sehen ist. Daneben sind Teile der Kanalgeschichte ab dem 19. Jahrhundert ausgestellt.
Bildtext Aufmacher: Kanalnetzchef Frank Männig (l.) und Archäologe Hartmut Olbrich freuen sich, dass dieser über 300 Jahre alte Kanal aus dem Zwingerhof jetzt im Klärwerk Kaditz ausgestellt ist. Er war vor der Fürstenhochzeit 1719 eingebaut worden.
Zweitfoto: Im Sommer dieses Jahres war auch der älteste Kanal aus der Zeit um 1670 freigelegt. Hier prüfen Frank Männig (l.) und Archäologe Hartmut Westphalen anhand eines alten Plans, wo der Anschluss ans kleine Kanalnetz am Theaterplatz liegt. Foto: Sven Ellger