Die Inflation erlebt seit dem Beginn des Ukrainekrieges Höhenflüge. Angeheizt wird sie vor allem von den Energiepreisen. Schließlich bleiben russische Öl- und Gaslieferungen aus. Im Vergleich zum Vorjahresmonat lag die Teuerungsrate im November 2022 bei zehn Prozent.
Für die Stadtentwässerung zahlt sich eine Strategie aus, die sie seit vielen Jahren verfolgt. „Schon jetzt erzeugen wir in der Kläranlage Kaditz jährlich rund 18 Millionen Kilowattstunden (kWh) Strom selbst“, erklärt Ralf Strothteicher, Geschäftsführer der Stadtentwässerung Dresden. Das ist so viel, wie der Verbrauch von rund 9.000 Dresdner Zwei-Personen-Haushalten, die durchschnittlich etwa 2.000 kWh jährlich benötigen.
Mit dem in Kaditz selbst erzeugtem Strom werden rund 85 Prozent des Bedarfs der Kläranlage gedeckt, auf der etwa 21 Millionen Kilowattstunden im Jahr verbraucht werden. „Unser Ziel ist es, künftig unseren gesamten Strombedarf zu decken“, sagt der Geschäftsführer. Auch für Notfälle wie einen Blackout ist die Stadtentwässerung gewappnet.
Der Blackout: Stromversorgung im Klärwerk gekappt
Regelmäßig testet die Stadtentwässerung den Ernstfall, wenn bei einem Blackout der Strom für mehrere Stunden oder gar Tage ausfällt. Erstmals wurde das im Mai 2016 geübt. Damals wurde die Stromversorgung am Zulauf gekappt, was im Klärwerk „kleine Insel“ genannt wird. Dabei handelt es sich um die Anlagen vom Zulauf über den Sandfang und den Grob- sowie den Feinrechen bis hin zum Hauptpumpwerk.
Zur Stromversorgung gibt es ein großes Notstromaggregat, was eine Leistung von 1.000 Kilowatt hat. Allerdings kann das nicht die Versorgung des gesamten Klärwerks sichern. Deshalb müssen auch die drei Blockheizkraftwerke an den Faultürmen wieder in Betrieb genommen werden, die eine Leistung von drei Megawatt haben. Da für sie beim Blackout weniger Klärgas aus den Faultürmen kommt, wurde für solche Notfälle ein Erdgasanschluss hergestellt.
Am 8. April 2017 wird erstmals die zentrale Stromzufuhr fürs Klärwerk abgeschaltet, das in solchen Fällen als große „große Insel“ bezeichnet wird. Dieser Inseltest hat gut funktioniert. Seitdem werden regelmäßig Blackout-Tests durchgeführt. Beim großen Stromausfall am 13. September vergangenen Jahres ging alles ganz schnell. Nur 20 Minuten standen die Anlagen im Klärwerk still. Noch bevor das Notstromaggregat in Betrieb genommen wurde, war der Strom wieder da.
Die Haupterzeuger: Klärgas aus Faultürmen treibt Blockheizkraftwerke an
Der Großteil des grünen Stroms wird aus dem Klärgas der beiden Faultürme erzeugt. 2021 waren es rund 17,3 Millionen Kilowattstunden. In die Faultürme kommen täglich rund 1.000 Tonnen Klärschlamm. Sie waren Ende 2011 mit zwei Blockheizkraftwerken in Betrieb genommen worden, das dritte folgt Ende 2014. So kann aus dem Klärgas der beiden Faultürme grüner Strom erzeugt werden. Das funktioniert so: Bakterien zersetzen organische Bestandteile im Klärschlamm und es steigt Faulgas empor, etwa 60 Prozent Methan, der Rest Kohlendioxid.
Ein Ei fasst rund 10.500 Kubikmeter Schlamm. Der braucht drei Wochen zum Faulen. In einem Gasometer können 5.000 Kubikmeter Gas für die drei Blockheizkraftwerke gespeichert werden. Bevor es dorthin kommt, muss es allerdings mit Aktivkohle- und Keramikfiltern gereinigt werden. In einer nächsten Stufe wird dem Gas die Feuchtigkeit entzogen. Es wird abgekühlt, sodass die Feuchtigkeit verdampft.
Kompressoren erzeugen letztlich den nötigen Gasdruck für die Motoren des jeweiligen Blockheizkraftwerks. Sie treiben Generatoren an. So kann sehr energieeffizient Wärme und Strom erzeugt werden. Mit der Wärme der Abgase werden die Faultürme und das benachbarte Betriebsgebäude beheizt. So können rund 80 Prozent der Energie des Klärgases ausgenutzt werden.
Der Plan: Neuer Speicher und mehr Klärgas
Jährlich entstehen in den Faultürmen über sieben Millionen Kubikmeter Klärgas – Tendenz steigend. 2021 waren es bereits rund 7,9 Millionen Kubikmeter. Deshalb ist der Bau eines zweiten Gasspeichers bis 2024 geplant, der ebenfalls rund 5.000 Kubikmeter fasst. Er ist einerseits nötig, damit auch in Spitzenzeiten immer genügend Gas für die Blockheizkraftwerk zur Verfügung steht.
Wird hingegen nicht viel Strom benötigt oder müssen die Kraftwerke für Wartungsarbeiten abgeschaltet werden, ist genügend Speicherkapazität da. Immerhin werden in den Faultürmen gleichmäßig rund 1.000 Kubikmeter Klärgas stündlich erzeugt, die zwischengespeichert werden müssen. „Wir wollen unbedingt verhindern, dass Klärgas abgefackelt werden muss“, erläutert Strothteicher. Denn es soll effizient zur Strom- und Wärmeerzeugung eingesetzt werden.
Die Investition von rund 2,4 Millionen Euro für den neuen Speicher soll sich durch die Energieerzeugung bereits nach wenigen Jahren amortisieren.
In den Faultürmen wird vor allem mehr Klärgas erzeugt, da immer mehr Bio-Abfälle zugesetzt werden, beispielsweise die Inhalte der Fettabscheider von Gaststätten und Hotels oder aus der Lebensmittelindustrie. „2023 konzentrieren wir uns darauf, weitere Bioabfallstoffe zu organisieren“, kündigt Geschäftsführer Strothteicher an. Derzeit werden rund 12.000 Tonnen jährlich in den Faultürmen zugesetzt. Da diese Stoffe viel energiehaltiger sind als Klärschlamm, sind sie so wichtig. „Deshalb versuchen wir zusätzlich Partner zu gewinnen, von denen wir solche Zusatzstoffe erhalten“, erklärt er.
Die Turbine: Stromgewinnung aus Wasserkraft
Außerdem wird im Klärwerk Kaditz Strom aus Wasserkraft gewonnen. 2021 waren es 668.386 kWh. Das funktioniert wie folgt. Durch einen 275 Meter langen Kanal fließt das gereinigte Abwasser von der Kläranlage bis zur Elbmitte. Dabei geht es bergab. Das nutzt die Stadtentwässerung im Ablaufbauwerk mit einem kleinen Kraftwerk zur Energiegewinnung. Immerhin fließen rund 55 Millionen Kubikmeter jährlich in die Elbe. Das Wasser treibt eine Turbine an. Der angeschlossene Generator erzeugt Strom fürs Klärwerk. Die sogenannte Kaplanturbine war Ende 2004 in Betrieb genommen worden. Sie hat eine Leistung von 120 Kilowatt. Die Anlage läuft Tag und Nacht. Nur bei Hochwasser, wie im Juni 2013, oder bei Störungen muss sie abgeschaltet werden.
Die Sonnenenergie: Neue Solaranlage auf Carport
Durchschnittlich rund 160.000 Kilowattstunden grünen Strom gewinnt die Stadtentwässerung jährlich aus Sonnenergie. Die größte Anlage steht auf dem Dach des Kaditzer Regenüberlaufbeckens. Dort sind 949 Solarmodule installiert, die eine Gesamtleistung von 190 Kilowatt haben. 2022 ist eine weitere Solaranlage mit 175 Modulen mit einer Leistung von 65 Kilowatt auf dem Dach eines neuen Carports hinzugekommen, erklärt der Geschäftsführer. Mit ihr können jährlich durchschnittlich 64.000 kWh Strom erzeugt und somit 21,3 Tonnen Kohlendioxid eingespart werden.